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Ein Kommentar

Neue Ideen setzen sich nicht dadurch durch, daß ihre Gegner überzeugt würden, sondern dadurch, daß diese aussterben. – Max Planck

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In einer Pressemitteilung der dpa wird Professor Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, wie folgt zitiert:

Einige Professoren hätten sich „wie die Droschkengäule bei der Einführung des Automobils“ gefühlt, als vor einigen Jahren das E-Learning erstmals seinen ersten richtigen Aufschwung erfuhr. Das Internet hätte aber bisher die Unis weder ersetzt noch revolutioniert, der prophezeite Umsturz wäre ausgeblieben. Kempen selbst meinte gar der Hype um Online-Seminare sei einer „Ermattung“ gewichen.

Ein solches Zitat kommt natürlich in der deutschen Presselandschaft an. Allein Online ist der Droschkengäulenvergleich mit bisher 1.390 Ergebnissen vertreten. Der meistzitierte in den sozialen Netzwerken ist aktuell bei Spiegel Online zu finden. Doch woran liegt es, dass sich E-Learning noch nicht in den Unis verbreitet? Ging es bei der 64. Jahrestagung des Deutschen Hochschulverbandes Ende März in Frankfurt doch gerade um die Chancen und Möglichkeiten von „virtuellen Lernwelten an der Universität„.

Liest man die dpa-Pressemitteilungen der Tagung, ist der ausbleibende Erfolg und die Ermattung bei Online-Lehre nicht wirklich verwunderlich.

Uni muss unzeitgemäß sein, es ist die Unzeitgemäßheit, die sie attraktiv macht„, findet ein Germanistik-Professor aus Mannheim. Jochen Hörisch stellt nicht mal seine Vorlesungen ins Netz, damit auch Studenten sie hören können, wenn sie krank sind. „So schlecht war das nicht, was wir 2000 Jahre lang gemacht haben„, sagt er.

Woher kommt also der sicht- und lesbare Widerwillen gegen die neuen Techniken? Woher die zitierte Droschkengäulen-Mentalität und die daraus ableitbare Angst, durch neue Lernmethoden ersetzt zu werden?

„Digitale Lehrformate sind Mittel, nicht Inhalt universitärer Bildung“ – Professor Kempen

 

Lesenswert ist dazu eine weniger beachtete Pressemitteilung des Hochschulverbandes zu Chancen und Grenzen von MOOCs. Gerade hier ruft der Verband dazu auf, die voranschreitende Digitalisierung behutsam anzugehen. Massive Open Online Courses könnten zwar ein wichtiger Teil universitärer Lehre sein, sie dürfen aber nicht im Gegensatz zur traditionellen Lehre stehen. „Digitale Lehrformate sind Mittel, nicht Inhalt universitärer Bildung„, äußert Professor Kempen. Nicht im Gegensatz, aber auch nicht gleichauf, sondern eher eine untergeordnete Rolle als Lernmittel, wie ein Buch. Wer die Chancen von Online-Kursen so verkennt und einem neuen Medium so die Möglichkeit verbaut als fester Bestandteil universitärer Lehre anerkannt zu werden, sollte sich nicht wundern, wenn eine Veränderung des Lehrsektors eben länger dauert, als erwartet.

Online-Kurse seien nach Einschätzung des DHV insbesondere dazu geeignet, lediglich Faktenwissen zu vermitteln. „Das bloße Bereitstellen elektronisch abrufbarer Informationen ist allerdings noch keine akademische Lehre„, gab Kempen zu bedenken. „Digitale akademische Lehre bedarf vielmehr einer besonderen, zielgruppenspezifischen didaktischen Gestaltung„. Da nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuert, als wissenschaftliche Lehre bezeichnet werden könne, bedeute dies für Lehrformate wie MOOCs, dass sie in gleicher Weise wie Vorlesungen der ständigen Revision und Fortentwicklung unterliegen müssen.

Mit einer solchen Einschätzung liegt der wiedergewählte Präsident natürlich absolut richtig. Solange hierzulande jedoch Universitäten die in MOOCs gesammelten Creditpoints nicht anerkennen, ist auch eine ständige Revision und Fortentwicklung nicht notwendig und verständlicherweise auch nicht der Wille an einer abzuschließenden Teilnahme vorhanden. So stehen MOOCs und klassische wissenschaftliche Lehre eben doch im Gegensatz zueinander, da durch die Befürchtung lediglich zum Moderator zu verkommen, die Bereitschaft sich dieser Lehrmethode zu öffnen sinkt.

So ist es kein Wunder, dass hierzulande medial lieber mit Droschkengäulen argumentiert wird, während in den USA Präsidenten von Elite-Unis zu Online-Kursplattformen wechseln.

Mit der voranschreitenden Digitalisierung ist wie in der Pressemitteilung folgerichtig erwähnt, eben auch eine Veränderung des Berufsbilds des Hochschullehrers verbunden. Die Kompetenz, Medien wie MOOCs sinnvoll einzusetzen und sich als Lehrender in anderen Formen zu präsentieren ist eben notwendig. Natürlich gilt die grundgesetzlich verbürgten Freiheit von Forschung und Lehre, die auch die Lehrmethode umfasst. Sich jedoch derer Veränderung komplett zu verweigern wäre fatal. Die zeitaufwendige Konzeption und Herstellung eines sehenswerten und mitreißenden MOOCs ist außer Frage eine Herausforderung, doch auch hier verhält es sich nicht anders als mit einem gut vorbereiteten Unterrichtes in einer klassischen Vorlesung.

Hier sind einige Personen in Deutschland längst zu qualitativer und internationaler Größe herangewachsen. Die Lehrenden, die sich der neuen Technik bisher nicht verweigert haben, bestätigen die positiven eigenen Erfahrungen und den interessanten neuen Umgang mit Studierenden. So gilt halt auch hier:

Wer Wissen vermitteln möchte, muss sich selber Wissen aneignen, eben auch über neue Methoden der Wissensvermittlung.

 

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Ein Gedanke zu „Widerwillen gegen Technik? Die Offline-Profs.

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